Stimme der Orthodoxie, 1999, ą 4, S. 37—44 |
Erzpriester Michail Dronov
Religionsunterricht in der Schule — wie soll er aussehen?
Es ist offensichtlich, daß die russische Kirche nach dem letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in eine stürmische Periode äußerer und organisatorischer Erneuerung eingetreten ist. Noch sind die Ruinen Zehntausender Kirchen nicht wiederaufgebaut und warnen noch immer als traurige Zeichen des Vandalismus vor der gottlosen kommunistischen Macht und ihrer unerfüllten Utopie. Auch sind die unterschiedlichsten intellektuellen und politischen Richtungen bzw. Bewegungen nicht in ihre Schranken verwiesen, die mit dem plötzlichen Strom geschulter und gebildeter Neubekehrter in die Kirche eingedrungen sind. Doch innerhalb der Kirche ist die Bereitschaft gewachsen, Tagesaufgaben in Angriff zu nehmen und nach Lösungen zu suchen.
Zu diesen Aufgäben gehört die Frage nach religiöser Unterweisung und Bildung der heranwachsenden Generation. Es mag wohl keine Gemeinde geben, in der sich Enthusiasten nicht um die Einrichtung von Sonntagsschulcn gekümmert hätten, selbst wenn in der Regel keine Berufspädagogen zur Verfügung stehen. Die orthodoxen Pädagogen ihrerseits erstreben eigene private Gymnasien und Schulen. Auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen kam es zu einer Vielzahl von Strukturen, die ihre Arbeit mit anderen koordinieren. So gibt es auch eine gewisse Zusammenarbeit mit den staatichen Strukturen des Bildungswesens. Wie nirgends sonst begreift man jedoch in Rußland, daß das Problem religiöser Unterweisung einem Eisberg ähnelt, dessen Teil unter dem Wasser um ein Vielfaches den sichtbaren Teil überragt. Das Ziel religiöser Unterweisung ist ein anderes als das der weltlichen Bildung. Bleibt das unerkannt, kann in einem auf staatlicher Ebene ideal organisierten System der religiösen Unterweisung — wie im vorrevolutionären Rußland — eine Generation von Atheisten hervorgehen, der die Heiligtümer ihres Volkes zum Opfer fallen.
Die Effektivität des bestehenden Religionsunterrichts bleibt heute auch für Deutschland und jedes andere Land aktuell, das sich traditionell an die christliche Überlieferung hält. Hierzu kann die Erfahrung der russischen Kirche einen definitiven Nutzen beisteuern, denn trotz einem gut funktionierenden staatlich-kirchlichen System christlicher Unterweisung steht auch in Deutschland die Frage auf der Tagesordnung, inwieweit sie wirklich ihr Ziel erreicht.
An sich setzt die Teilung des Religionsunterrichts nach konfessionellen Gesichtspunkten in protestantische und katholische Sektionen voraus, daß dieses Fach einen missionarischen Auftrag hat. Den katholischen Schülern vermitteln katholische Lehrer die Grundlagen des christlichen Glaubens und evangelischen Schülern entsprechend evangelische Lehrer, wobei man in Glaubens-Fragen nur dem glauben kann, der seinen Glauben auch bekennt. In der Wirklichkeit sind Lehrbücher jedoch <38> rein informativ aufgebaut, und das Fach wird formal wie Chemie oder Geschichte unterrichtet. Die Schüler können öffentlich erklären, daß sie an Gott nicht glauben, dennoch besuchen sie die Religionsstunden und erhalten ausgezeichnete Zensuren.
In einer solchen Atmosphäre wird die katholische Firmung der 12-jährigen und die evangelische Konfirmation der 14-jährigen Mädchen und Jungen zu einem besonderen Kinderfest mit schöner Kleidung, zahlreichen Geschenken, einem Festessen und vielem mehr. Die meisten Menschen im Westen erleben eine Konfirmation wie Weihnachten, d.h. aus einem rein religiösen Fest wird ein kommerzieller „häuslicher" Höhepunkt, der dazu noch unter den Fanfaren der Massenmedien abläuft und den rein säkularen Festcharakter unübersehbar macht.
Die überwiegende Mehrheit der Kinder, die m der Schule Religion gelehrt bekommen, sind in Wirklichkeit völlig areligiös. Es handelt sich dabei nicht um einen militanten Atheismus, sondern eher um praktische Religionslosigkeit im Alltag, die sich im Fehlen jeglicher Gotteserkenntnis und Gebetspraxis ausdrückt. Die Konsequenz daraus ist, daß für Gott nicht nur kein Platz im Leben bleibt, sondern auch nicht für das Interesse an den Fragen nach Gott und seiner Gegenwart in dieser Welt. Macht es aber unter solchen Bedingungen überhaupt noch Sinn, Kirchenverfassung und Strukturen von Wohltätigkeitsorganisationen weiterhin zu behandeln odergar biblische Literatur zu betrachten? Wäre es nicht im Interesse einer christlichen evangelistischen Verkündigung, den Nachdruck auf das Wesen der Religion zu legen: Wie kann man überzeugt werden, daß Gott ist; wie entsteht religiöse Erfahrung und worin besteht sie; was hindert ihre Ausprägung und Vertiefung?
Unter Bedingungen, in denen die Grundlagen biblischer Information und der Grundkenntnisse über die Kirche nicht mehr in die missionarische Zielsetzung einmünden, sollte man sich wohl eher an die „praktische Theologie" unter den Disziplinen der theologischen Wissenschaft halten und die ontologischen Grundlagen der Religion und ihren existentiellen Sinn behandeln. Dieser Zweig christlichen Wissens dürfte sich in den letzten Jahrzehnten wohl nur in der russischen Theologie als Antwort auf den militanten Atheismus der kommunistischen Ideologie stetig entwickelt haben.
Mehr noch, selbst die Positivisten zur Zeit William James' (1842-1910) ließen gelten, daß das Wesen der Religion in einer besonderen persönlichen Erfahrung besteht und sich diese Erfahrung nicht mit Worten oder anderen Zeichensystemen ausdrücken läßt, ganz ähnlich wie die Erfahrung beim Kennenlernen der Persönlichkeit eines anderen Menschen oder wie die ästhetische Erfahrung beim Genuß der Schönheit. Man kann nicht durch rationale Analyse oder vernunftsmäßige Aneignung dieser Erfahrung teilhaftig werden. Sie wird in der Auseinandersetzung mit den sie mitteilenden Realitäten erworben. Gotte serkenntnis ist ein persönliches, aber nicht rationelles Wissen, Daraus folgt, daß, stellt man sich tatsächlich der Aufgabe missionarischer Unterweisung, man vor allen Dingen Bedingungen schaffen muß, unter denen die Schüler die Entstehung persönlicher Gotteserfahrung erleben können.
Rationalismus und ganzheidicher Glaube an die eigene Vernunft basieren auf John Lockes Empirismus des 17. Jahrhunderts. Ihm entsprechend lassen sich alle Kenntnisse aus der Erfahrung ableiten; Nichts existiert, was nicht mit den fünf Sinnen wahrgenommen oder in Forschungslaboratorie n hergestellt werden kann. Dreihundert Jahre danach bleibt allerdings auf der Schwelle zum 21. Jahrhundert nur wenig noch von jenem naiven Glauben übrig, daß All und Mensch lediglich einfache Mechanismen seien, die sich von Uhrenfedern nur durch die Zahl der „Getrieberädchen" unterscheiden. Bestenfalls hält sich ein eigensinniger Glaube, daß irgendwann in ferner Zukunft schließlich doch alle Geheimnisse des Alls enträtselt werden und der Mystik jeglicher Boden entzogen wird.
Glücklicherweise hat sich heute eine neue Haltung zur geistlichen Erfahrung durchgesetzt. Das scheidende 20. Jahrhundert ermöglicht wieder eine ernsthafte Beziehung der Forscher zu der inneren Erfahrung des Menschen, die das positivistische Bewußtsein des 18. und 19. Jahrhunderts als „unwissenschaftlich" abgetan hatte. Der Erfahrungsbegriff steht jetzt im Mittelpunkt für die wichtigsten philosophischen Strömungen des 20. Jahrhunderts, angefangen von der Phänomenologle, dem Existentialismus und Strukturalismus bis hin zum Pragmatismus, Freudismus und Materialismus. Neu im Vergleich zu der voraufgegangenen klassischen (in der Hauptsache deutschen) Philosophie ist, daß im Denken unseres Jahrhunderts die Erfahrung als Form der Wirklichkeitserkenntnis praktisch alle anderen Erkenntnisformen in sich aufgenommen hat. Die Diskussion dreht sich im Grunde nur um die Anwendung des Erfahrungsbegriffes.
Für viele Systeme des Weltverständnisses wurde die Anerkennung der Einmaligkeit, die grundsätzliche Unwiederholbarkeit jeder Erfahrung, der Ausgangspunkt. Dies ist die Position des Begründers der <39> Phänomenologie, E. Husserl, und des Begründers des pragmatischen Instrumentalismus, J. Dewey. I.I. Gadamer, der die hermeneutische Phänomenologie M. Heideggers weiterentwickelt hat, unterstrich immer wieder die unlösbare Widersprüchlichkeit der Natur jeder Erfahrung, Für die Wissenschaft besteht der Wert der Erfahrung in ihrer grundsätzlichen Wiederholbarkeit. Nichtsdestoweniger kann, genau genommen jeder Mensch persönlich, nur einmal eine Erfahrung machen - bereits gewonnene Erfahrung kann nicht noch einmal neu gemacht werden: „Dasselbe kann nicht noch einmal für uns zu einer neuen Erfahrung weiden."
Zu Beginn des 20, Jahrhunderts zog ebenfalls im europäischen wissenschaftlichen Denken der Begriff der religiösen Erfahrung ein, gefördert durch die philosophische Richtung des auf dem amerikanischen Kontinent geborenen und von Ch. Peirce (1839-1914), W James (1842-1910), J. Dewey (1859-1952) und anderen entwickelten Pragmatismus. Ihnen ist es zu danken, wenn sich eine neue Norm des „guten Tons" in Theologie und Religionswissenschaft herausbilden konnte: Alle theologischen Erwägungen begannen jetzt vom Begriff der religiösen Erfahrung auszugehen, d.h. der von allen, darunter auch von den Positivisten, anerkannten Wirklichkeit. Eine andere Sache ist die Behandlung dieser unstrittigen Gegebenheit, wie sie die religiöse Erfahrung darstellt.
Die Vertreter des Pragmatismus nutzen sie natürlich im Zusammenhang eines rein materialistischen Behaviorismus. Nichtsdestoweniger war die Anerkennung der religiösen Erfahrung als einer objektiven Realität durch die Positivisten ein erheblicher Kompromiss des aggressiven Unglaubens gegenüber dem Glauben. Auch die Theologen aller Konfessionen und Richtungen begannen ausnahmslos den Erfahrungsbegriff zu verwenden.
Heute halten sich maßgebende christliche Prediger und Theologen bei der Erklärung der Offenbarung und der Heiligen Schrift hauptsächlich an die innere Erfahrung und nicht an die Vernunft des Auditoriums. Moderne Missionare müssen vorwiegend mit Leuten rechnen, die unter dem Bann agnostischen Vorurteils stehen. Wenn ihnen erklärt werden soll, was christliche Offenbarung meint, oder ihnen der Inhalt der Evangeliumssehritten nahegebracht werden soll, sind heutige Prediger zum Verzicht auf eine logische und rationale Argumentation, weil nutzlos, gezwungen.
Für die christlichen Missionare besteht das Hauptproblem darin, daß der Mensch unserer Zivilisation, selbst wenn er die Wirklichkeit einer Gotteserfahrung bejaht, sie doch größtenteils nicht hat. Der moderne griechische Theologe und Philosoph Ch. Jannaras findet z.B. in der Erklärung des Gottes begriffes den einzig tauglichen Weg, um den Menschen unserer Zeit zu überzeugen. Er denkt dabei an jenes Minimum metaphysischer Erfahrung, das jeder Mensch hat: „Irgendein dummer Zufall, eine .Havarie..., ein Verkehrsunfall mit dem Auto, Krebs, Herzinfarkt, und schon ist der Panzer der Selbstsicherheit durchschlagen, und der Mensch steht in all seiner schutzlosen Nacktheit da... In solchen Augenblicken ,metaphysischer Erweckung' konzentriert sich das Wesentliche aller Fragen für uns auf ein im Bewusstsein scharf eingegrabenes Wort, das eben so alltäglich wie ewiges Geheimnis ist: Gott."
In seinem Buch, das dem Menschen unserer Epoche als Katechismus dienen könnte, vermittelt Ch.Jannaras die Lehre von Gott in der Dreifaltigkeit, vom Menschen, von Christus und von der Kirche, wobei er sich in erster Linie am Argument der in den biblischen Texten fixierten Gotteserfahrung orientiert. Sein Buch unterscheidet sich damit von den traditionellen Katechismen, deren Hauptargument die dogmatische Autorität der Schrift ist und nicht die Harmonie zwischen ihrem Inhalt und der eigenen Erfahrung der Leser. Der griechische Buchtitel heißt „Das ABC des Glaubens" und entspricht genauer seiner Absicht. Diese nahezu enzyklopädische Beschreibung des Weltgefühls im zeitgenössischen Menschen geht auf wichtige Schlüsselerlebnisse ein. Es ist zugleich eine Übertragung der Fundamente des Christentums in die Sprache jener Kategorien und Begriffe, die der moderne Mensch des europäischen Kulturkreises zu denken gewohnt ist.
Der in der Orthodoxie weithin bekannte Seelsorger, Metropolit Antonij von Suroz, richtet seine Empfehlungen, wie man das Evangelium lesen soll, gleichfalls auf die innere Erfahrung des Lesenden aus. Vladyka Antonij räumt ein, daß verschiedene Stellen der Schrift ein sehr unterschiedliches Echo in der Seele finden können; es muß nicht nur ein positives, es kann auch ein negatives Echo sein: „Einige Steilen bleiben unverständlich und fremd - wir können sie zur Kenntnis nehmen und daran vorbeigehen oder weiterlesen in der Erwartung, daß wir später zu Einsichten gelangen, die sie uns verständlich machen. Andere Stellen mögen bei uns Ablehnung hervorrufen: ,Dem kann ich nicht zustimmen, das akzeptiere ich nicht'.... Auch diese Stellen sollten wir zur Kenntnis nehmen: Hier stimmen das Evangelium und ich in einer gewissen Beziehung nicht überein. Und schließlich werden wir solche Stellen finden, die wir mit vollem Herzen bejahen können, von denen <40> unser ganzes Innere bewegt wird, Stellen, die so schön, so bedeutsam sind, daß man ausrufen möchte: ,0 Gott, wie schön ist das!' Eine solche Stelle beweist, daß wir und Gott einhellig sind, wenn wir uns in diese Stelle hineinlesen, dringen wir in die Tieren Gottes vor, wir haben Gott erkannt, wie Er ist; wir begreifen, welche Gedanken Er hat, welche Gefühle, welche Haltung Er einnimmt. Zugleich aber entdecken wir auch eine Tiefe in uns selbst, von der wir bislang noch keine Ahnung hatten."
Die persönliche Erfahrung dessen, an den sich die Verkündigung richtet, ist das letzte Argument, das unsere Zeit dem Missionar noch gelassen hat. Eigentlich war das immer so. Nur die mehr als 200-jährige Herrschaft des Rationalismus hat uns anders zu denken gelehrt. Die Wahrheit wird nicht im Streit geboren, sie offenbart sich in der Erfahrung dessen, der auf sie stößt, Christus hat den Jüngern seine Aussagen nicht wie ein Lehrer des alten Griechenlands bewiesen. Er hat die eigene Erfahrung der Jünger angesprochen; Sagt, was ihr hört und seht: „Blinde werden sehen. Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören. Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium verkündigt; selig ist, wer sich nicht an Mir ärgert" (Mt 11, 5—6). Die Apostel wurden nicht zur Systematisierung Seiner Lehre ausgesandt, sondern um zu bezeugen, wie sich das Leben derer verändert, die Seine gute Botschaft angenommen haben: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und meine Zeugen sein in Jerusalem, in ganz Judäa und Samaria, ja, bis an das Ende der Erde" (Apgl,8).
Heutige religiöse Unterweisung darf nicht die allgemeine Situation noch die positiven Ergebnisse der christlichen Religion ignorieren. Religionsunterricht in der Schule muß so organisiert werden, daß der Schüler, der vor ontologische Fragen gestellt wird, sich zugleich auf das Bewußtwerden der bei ihrer Beantwortung entstehenden inneren geistlichen Erfahrung einstellt. Das wird nur dann der Fall sein, wenn die Arbeit der Schüler sich nicht in der Aneignung eines neues Lernstoffes erschöpft, sondern zu einer Analyse der eigenen geistlichen Erfahrung führt, die er entweder schon hat oder im Prozess der Bewusstwerdung der Realitäten als innere Erfahrung erfahrt. Daher empfiehlt es sich, daß der Inhalt des Lernstoffes, um den es geht, auf die Realitäten und Gesetzmäßigkeiten des inneren Lebens des Menschen eingeht. Diese Realitäten klammern die Berücksichtigung von Ethik und christlicher Askese nicht aus. Daher ist nicht nur in Deutschland und Russland, sondern in jedem traditionell zum christlichen Kulturkreis zählenden Staat ein Studium der Grundlagen der Religion in der Schule an Hand von Lehrstoffen der Ethik am zweckmäßigsten, weil sich hier gute Gelegenheit bietet zu ihrer inneren Verarbeitung durch die geistliche Erfahrung und nicht nur durch Vernunft.
Mithin geht es darum, den Schülern einen bestimmten Umfang an Information zur Aneignung und Erinnerung zu vermitteln. Für eine Unterrichtsstunde sollten Bedingungen für das Zustandekommen einer eigenen Erfahrung bei der Begegnung mit Gott als Persönlichkeit geschaffen werden. Diese Aufgabe verlangt das Eintauchen der Schüler in eine Atmosphäre, die solche Erfahrung hervorbringt. Gewiß vollzieht sich in einer Schulstunde das „Eintauchen" größtenteils auf der rationalen Ebene des Verstandes, doch kann es nichtsdestoweniger zu einer echten Gottes Erfahrung führen.
Welcher Lehrstoff kann zur Schaffung eine r Atmosphäre der Gotteserfahrung ausgewählt werden? In der Kirche ist die Quelle der Gottes offen bar und die Heilige Schrift der Bibel. Doch führen die biblischen Texte nicht immer in vollem Maße zu einer solchen Atmosphäre, und zwar aus zwei Gründen. Natürlich ist in ihnen die Erfahrung der Offenbarung fixiert, d.h. die Begegnung des Menschen mit Gott. Doch diese Fixierung geschieht in biblischer Sprache, die ihrer Struktur nach weit entfernt ist von der Struktur des modernen Denkens. Außerdem ist die Bibel ein realistisches und ernstzunehmendes Buch. Dem von einer „die Sinne" ansprechenden Literatur verwöhnten Menschen unserer Tage fehlen die poetisch-rhetorischen Beschreibungen in ihr, die ein Miterleben direkt möglich machen (abgesehen von wenig Ausnahmen wie etwa die Psalmen und das vierte Evangelium).
Ungewöhnlich ist, daß die biblische Sprache eher eine analogische als logische Struktur hat. Sie drückt sich hauptsächlich nach dem Schema aus „dies gleicht dem", und nicht „dies bedeutet das". Doch unter allen Analogien in den biblischen Beschreibungen dominieren wesentlich pragmatische und nicht ästhetische Analogien. Die biblische Sprache fixiert die Erfahrung der Gottes-Erkenntnis zeichenhaft, deren Code sich in Wirklichkeit erst in der Kirche und bei ihren Sakramente offenbart. Sie wird verständlich innerhalb der kirchlichen Erfahrung und bleibt für jene fremd, die außerhalb der Kirche draußen vor sind. Daher könnten, will man Schüler eintauchen in die Erfahrung mit Gott, wohl eher die patristischen Kommentare zur biblischen Offenbarung herangezogen werden, die häufig aufgebaut sind als rhetorisch-poetische Beschreibungen der liturgischen und mystischen Erfahrung.
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Wenn nun dennoch in einer Schulstunde die Voraussetzungen für die Entstehung einer Begegnung mit Gott geschaffen werden sollen, heißt das, daß sich die Rolle des Lehrers im Lernprozess völlig ändert. Er muß hinter dem Lehrstoff zurücktreten, mit dem die Schüler ringen. Aufgabe des Lehrers ist es, die Schüler zu dieser Quelle zu begleiten und soweit wie möglich „in den Schatten zu treten", um nicht das Wissen um Gott, zu dem er keine andere Beziehung hat als der Schüler, durch sich selbst, durch seine Persönlichkeit zu verdunkeln oder zu verstellen. Seine Aufgabe ist es somit, wie Johannes der Täufer ein Freund des Bräutigams zu werden und die Stimme eines Predigers in der Wüste zu sein (Mt 3,3; Jes 40,3). Johannes der Täufer hat von sich gesagt, daß er nur gekommen sei, den Bräutigam anzukündigen, er war nicht der Bräutigam, wohl aber der Freund des Bräutigams, der bei den alten Hochzeitsritualen eine große Rolle spielte, aber stets hat er den ersten Platz und damit die allgemeine Aufmerksamkeit dem Bräutigam überlassen. Dessen Freude war nicht seine Freude, sondern eben die Freude des Bräutigams: „Wer die Braut hat, ist der Bräutigam; aber der Freund des Bräutigams steht und hört ihm zu und freut sich über des Bräutigams Stimme. Diese meine Freude ist nun erfüllt" (Joh3,29). Der Herr hat von Johannes dem Täufer gesagt, daß sich an ihm die prophetischen Worte Jesajas erfüllt haben „Es ist die Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg, macht auf dem Gefilde eine ebene Bahn unserem Gott" (Jes 40,3). In der menschlichen Wüste wandte sich der Herr Selbst an Sein Volk, Johannes aber war bereit, Seine Stimme zu werden. Er vermochte sich zu befreien von allem Eigenen, Persönlichen, Egoistischen, um allein die lauteren Worte Gottes weiterzugeben.
Die Orientierung auf die Schaffung von Voraussetzungen für das Entstehen einer eigenen Schülererfahrung in der Begegnung mit Gott verlangt vom Lehrer den Verzicht auf die traditionelle Rolle des Mentors und alles eigene Wissen des Lehrers. Ob das für einen Schullehrer möglich sein wird?
In der Schatzkammer pädagogischer Didaktik gibt es eine Methode, die heuristisch heißt. Nach der klassischen Definition von P, F. Kapterev ist neben der sokratischen Methode die heuristische eine Variante der genetischen Methodik. Petr Kapterev (1849-1922), Absolvent der Moskauer Geistlichen Akademie, gehöre auch heute noch zu den angesehensten Koryphäen der russischen Pädagogik. Er hat eine Lehrmethode unter dem Gesichtspunkt erkennender Arbeit der Schüler entwickelt und drei Grundformen dieser Lehrmethode unterschieden: Die dogmatische (das Wissen wird abgeschlossen, sozusagen fertig, vermittelt), die analytische (der Lehrer zerlegt das Wissen in einzelne Elemente, weist die Bedeutung eines jeden nach und fügt dann diese Elemente zu einem Ganzen zusammen) und die genetische (die den Prozeß der Entstehung des Wissens, seiner Entwicklung und schließlich der endgültigen Formulierung anzeigt). Die genetische Methode unterscheidet sich somit dadurch, daß die Schüler nicht passive „Objekte" des Lehrprozesses bleiben, sie werden vielmehr unmittelbare Zeugen (im Idealfall Teilnehmer) bei der Entstehung, der Geburt (Genesis) der Erkenntnisse. Die genetische Unterrichtsform hat Kapterev in die sokratische [nach dem altgriechischen Philosophen Sokrates (470-399 v.Chr.), der durch eine folgerichtige Kette von Fragen seine Gesprächspartner zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen suchte] und in die heuristische (heurisko - finden, entdecken, erlangen) gegliedert.
Die sokratische Methode ist besonders geeignet für die Vermittlung bestimmter religiös-philosophischer Postulate an die Schüler, die heuristische aber empfiehlt sich sonderlich für das Entstehen einer Gotteserfahrung. Im Rahmen der heuristischen Methode gestaltet der Lehrer die Arbeit der Schüler an einem Text rein technisch, diese Arbeit kann entweder bestehen in einer linguistischen Analyse oder in komplizierteren Formen intellektueller Arbeit. Wichtig dabei ist, daß der Lehrer sich nicht einmischt in einen Glauben und Verhalten vermittelnden Inhalt des Textes, also nicht von sich aus die aufbauende Wirkung des Textes zu erhöhen sucht: „Seht, das habe ich euch doch schon gesagt!" Vom Takt und dem Augenmaß des Unterrichtenden hängt ab, ob die Lektion von den Schülern akzeptiert (die möglicherweise das nicht zeigen wollen) oder als grobe Aggression auf die sorgsam gehütete innere Welt der Schüler verworfen wird.
Die heuristische Methode entspricht besser der Arbeit mit christlichen Urquellen als die sokratische, weil mit ihrer Hilfe Kenntnisse aus dem neu dargereichten Stoff gezogen werden und nicht Schlussfolgerungen auf der Basis einer bereits angeeigneten Lebenserfahrung, wie das im sokratischen Gespräch geschieht. Der Lehrer gibt dem Text den Vorrang: Seine Aufgabe ist es, die Schüler zu einem selbständigen Textverständnis und zum Empfang einer daraus erwachsenden Gotteserkenntnis und Selbsterkenntnis im Lichte Gottes zu führen.
Um in eine Atmosphäre christlicher Offenbarungen „eintauchen" zu können, verfügt die orthodoxe Tradition <42> über eine immense Bibliothek von Werken heiliger Väter, die in sich Zeugnis gibt von echter Gotteserkenntnis und der Kraft überzeugender Autorität. Nicht der Mangel an Material, sondern sein Überfluß kann hier — der Auswahl wegen — problematisch werden. Doch für die Zwecke einer besummten Lektion kann man auf ein ausgewähltes patristisches Fragment zurückgreifen, auf einen bestimmten Gedanken oder eine Äußerung und zuweilen auch auf eine kurze Wiedergabe des Textes eines patristischen Autors. In Verbindung mit den patrisüschen und biblischen Texten mag die Benutzung auch säkularer, künstlerischer, wissenschaftlicher und anderer Literatur zweckmäßig und von Nutzen sein.
Glücklicherweise wird heute die Textauswahl erheblich erleichtert. Ein Impuls von Erzbischof Feodor (Posdeevskij), der 1911 Aufgaben und Grundrichtung der Asketik als theologische Wissenschaft formuliert hat, ist von seinen Nachfolgern bereits in der Nachkriegszeit in den geistlichen Lehranstalten der Russischen Orthodoxen Kirche aufgegriffen worden. In den fünfziger Jahren wurde von dem Dozenten am Kiever Seminar, G.I. Simanski), (1915-1961), der Versuch unternommen, den üblichen Kursus für Ethik unter Aufnahme von asketischem Lehrstoff der Väter umzugestalten. Immerhin führte die Grundlinie solcher Ausarbeitungen auf asketischem Gebiet zu enzyklopädischen Nachschlagewerken mit einem hilfreichen Index der Stichworte und entsprechender Zitathinweise.
Nicht alles, was in jenen Jahren im sogenannten Selbstverlag veröffentlicht wurde, ist 1996 im „Väterworte für den Prediger" von Igumen Mark (Losinskij, gest. 1973), Professor an der Moskauer Geistlichen Akademie, unter den 1221 Beispielen aus dem Prolog und dem Paterikum gedruckt worden. Auf ihn zurück geht auch eine eindrucksvolle alphabetische Auflistung von Gedanken des hl. Ignatij (Brjancaninov), die noch eines Herausgebers harrt. Eine analoge Arbeit über die Werke des hl, Tichon (Zadonskij) hat Archimandrit im S'chima loann (Maslov, gest. 1991) in der Konkordanz zu Werken des hl. Tichon Zadonskij, M. 1996, vorgelegt. Ende der siebziger Jahre hat sich eine Gruppe von begeisterten Studenten der Moskauer Geistlichen Akademie an die Abfassung einer thematischen Enzyklopädie zu Werken etlicher Dutzend patristischer Autoren gemacht. Inspirator war damals ein Student, der jetzige Erzpriester Michail Nejgum. Ergebnis der hingebungsvollen Arbeit der jungen Theologen ist ein gutes Dutzend gewichtiger Bände in Maschinenschrift.
Zu Beginn der achtziger Jahre kam es unter der Leitung von Metropolit Pitirim von Volokolamsk und Jur'ev in der Moskauer Geistlichen Akademie und im Verlag des Moskauer Patriarchats zu einer ähnlichen Arbeit. Berücksichtigt wurde die bisherige Zuarbeit; wichtiger noch war, daß ein neuer Weg für die Herausgabe eines Nachschläge-Werke s als Computer Variante gefunden wurde. Der Gesamtumfang des Stoffes, einschließlich des 5. bis 7. Bandes der pastoralen Enzyklopädie, also das „Handbuch für den Priester" (Band 5 - 1986; Bd, 6 -1986; Band 7 - 1894) betrug etwa 2500 Seiten kleiner Druckschrift. Diese wie ihm ähnliche Nachschlagewerke über das Gedankengut der heiligen Väter werden sich bei der Stoffauswahl für den Unterricht zur christlichen Ethik als überaus nützlich erweisen.
Es gibt auch Versuche, auf der Basis der heuristischen und sokratischen Methode eigene Lehrbücher zur christlichen Ethik zu schreiben. Von 1994-1996 hat die Russische Akademie für Bildung eine solche Arbeit betneben. Im Rahmen eines Projektes unter der Bezeichnung „Bildung als Gestaltungsinstrument der geistlich-sittli-chen Kultur in der Gesellschaft" hat der Verfasser dieser Zeilen einen Unterrichtskurs für christliche Ethik vorgelegt, der aus 28 „Lehrstunden" besteht und Stoff für die Schüler in einer Auswahl von Fragmenten, Zitaten sowie entsprechenden Fragen dazu auf der Grundlage der heuristischen Methode bietet. Außerdem sind theoretische Hinweise und einzelne methodische Kommentare für jede Stunde und zu jeder Frage des Lehrers im Ablauf der Stunde enthalten, ebenso „Gespräche", die schon im verbindenden Text den Inhalt der Fragen und die entsprechenden Antworten geben. Mehrere Jahre lang wurde dieser Unterrichtsstoff vor verschiedenen Auditorien von Schülern und Studenten „geglättet", bevor 1998/99 das Projekt als Lehrbuch in einigen Schulen Moskaus sowie anderer Städte Rußlands unter Leitung des Mitgliedes der Akademie S.A. Smakov erprobt wurde. Die Arbeit muß gewiß noch fortgesetzt werden, aber schon jetzt lassen sich bestimmte Ergebnisse festhalten, die den Anfangern unter den orthodoxen Pädagogen aufschlußreich sein können.
Die Entscheidung für die sokratische oder heuristische Methode im Verlauf des Unterrichtes bringt noch ein unerwartetes Problem zutage, daß nicht alle bemerken und nicht überall erkannt wird. Es geht um die Wechselbeziehung von Pädagoge und Auditorium. Jeder Lektor oder Lehrer, der die Hörer und ihre Aufmerksamkeit fesseln will, sucht nach seiner Rolle, wenn er vor sie tritt. Eine große Auswahl hat er eigentlich nicht; in der Regel wird er nach kurzem Suchen auf seinen eigenen Stil kommen, den er am effektivsten empfindet und <43> bei dem er bleibt. Es geht also darum, welche Rolle der Pädagoge für sich als die tauglichste empfindet.
Man wird mindestens von zwei G r und type n didaktischer Entscheidung sprechen können. Da ist zunächst die traditionelle Rolle des Lehrers, der die praktische Rolle der Eltern übernimmt, und da ist zweitens das Verhalten des Freundes und Altersgenossen. Beide Seiten haben ihre Vor- und Nachteile. Wie bereits erwähnt, wird der Lehrer nicht allzu viel erreichen, wenn er sich in Unterrichtsstunden über die Grundlagen des Christentums zum „Autor" des göttlichen Gebotes ermächtigt und seine Erfüllung einfordert. Doch lauern auch Gefahren im anderen Extrem.
Mehrfach bereits wurde mir eine in orthodoxen Kreisen Rußlands hochgeachtete Broschüre „Das Übergangsalter" empfohlen, die mit den Initialen E.A. gekennzeichnet ist. Der sich hinter diesen Buchstaben verbergende Autor ist tatsächlich ein begabter Pädagoge und Psychologe, der es versteht „von der anderen Seite herzukommen, um mit den Kindern, über ihre Probleme zu reden, was sie bewegt und nicht so sehr über sieh und von sich". Ich aber ertappte mich bei dem Gedanken, daß ich nicht zusammen mit meinen eigenen Kindern im Pubertätsalter dieses Büchlein lesen könnte, wie wir es sonst zuweilen tun. Der Verfasser „umkreist" in diesem Gespräch mit den Heranwachsenden Situationen, in denen es mir als Vater und Priester die Sprache verschlüge.
Der Autor wollte auf diese Weise die Verderblichkeit der Sünde zeigen und tat es nicht ohne Erfolg. Ich würde wohl nichts dagegen haben, wenn er oder irgendein anderer auf diese Weise mit meinen Kindern in der Schule so spräche. Ich selbst aber konnte es nicht. Ich bin Vater und spüre, daß aus meinem Schweigen eher jene allgemeine Erfahrung erwachsen kann, die der Versuchung der aus der Welt kommenden Unzucht entgegen steht. Denn diese Position bezieht der Apostel Paulus: „Hurerei aber und alle Unreinigkeit oder Geiz lasset nicht von euch gesagt werden, wie den Heiligen zusteht" (Eph 5, 3), Ich hätte nichts dagegen, daß meine Kinder eine solche Lektion mitanhörten, allerdings unter der Voraussetzung, den dort oft anzutreffenden leicht spöttischen Ton, der so typisch ist für die heute heranwachsende Generation, durch einen positiven zu ersetzen, den nur die Kirche oder die christliche Familie finden kann.
Immerhin habe ich nach etlichem Ringen mit mir zugunsten des Experimentators entschieden und mit meinen Kindern diese Broschüre gelesen. Sie reagierten mit jenem wachen Interesse, mit dem auch der Autor gerechnet hat, und sie gaben mir spontan jene Antworten, die er vorgeschlagen hatte. Mir freilich wurde ein weiteres Mai klar, daß eine solche Methode geeignet ist, nur den Weg zu positiven Lebenshaltungen frei zu machen. Sie orientiert sich an einer bereits vorhandenen definitiv negativen Erfahrung und ihrer Bewußtwer-dung. Zu fordern ist aber unbedingt eine Ergänzung durch positive Erfahrung.
Wir haben hier eine direkte Parallele zu den beiden genetischen Methoden: der sokratischen und der heuristischen. Die sokratische zielt darauf ab, auf der Grundlage bereits gemachter Erfahrung den Menschen zu einer bestimmten Einsicht zu führen, die heuristische Methode dagegen erlaubt, mit einem vorher ganz unbekannten Material zu arbeiten und befähigt zur Entstehung einer grundsätzlich neuen Erfahrung.
Der Lehrer, der sich für die Rolle des Gleichaltrigen entscheidet, nimmt sich und seine Erfahrung von vornherein zurück und begibt sich auf die Ebene des Schülers, weil die Beziehungen zwischen Gleichaltrigen im Grundsatz dem entspricht und sich von den Beziehungen zwischen Eltern und Kindern unterscheidet, was im ersten Falle eine allgemeine Erfahrung ist, im zweiten aber immer eine Kluft aufreißt zwischen der Erfahrung der Kinder und der Erfahrung der Eltern. Die Eltern haben die Erfahrung der Kinder erlebt, nicht aber die Kinder, von daher sind ihnen die Positionen der Eltern unverständlich und es scheint ihnen, daß sie nicht verstanden werden. Dem Gleichaltrigen vertraut der Heranwachsende umso mehr, als er im Gesamtbereich der Erfahrung nicht die Rolle des Mentors beansprucht.
Sokrates führte seine Gesprächspartner zu einer Reflexion der Erfahrung, die sie bereits hatten. Der moderne Mensch indessen hat praktisch gar keine Erfahrung über eine Begegnung mit Gott. Seine ganze religiöse Erfahrung reduziert sich am häufigsten auf die nicht durchdachte Halbfrage: „Kann es nicht sein, daß diese so erstaunlich vernünftig organisierte Welt von selbst entstanden ist und dahinter keine Vernunft steht?" Der moderne Mensch, in dessen Bewußtsein plötzlich wie ein Blitz das Fragen beginnt, woher denn alles in der Welt komme, verliert hierbei das Interesse daran. Ihn wird durchaus die alternative Konzeption von einer „parallelen Welt" befriedigen, von der die Außerirdischen uns wie Bakterien in einem Reagenzglas beobachten.
Wirklich an einer neuen Erfahrung partizipieren kann nur der, der sie hat. Dem Kind wird die ihm noch unbekannte Welt von den Ellern erschlossen. Wenn der Lehrer tatsächlich den Schülern die ihnen unbekannte <44> Welt der Offenbarung vermittein und — was das Wichtigste ist — ihnen helfen will bei der Entdeckung Gottes, muß er sich eher als Vater fühlen denn als Freund und Gleichaltriger. Wie Eltern weiß auch der Lehrer, zu welcher Erfahrung er seine Schüler führen will, er hat sie zweifellos schon gemacht und wünscht aufrichtig, daß die Schüler ebenfalls zu dieser Erfahrung gelangen möchten.
Doch wird der Lehrer auch verstehen müssen, daß er die Schüler in eine Welt begleitet, die er selbst nicht geschaffen hat und die ihm nicht persönlich gehört. Er führt die Schüler in eine Welt ein, in die er selbst einst unter den gleichen Rechtsbedingungen eingetreten ist wie die Schüler heute. Er ist nicht der selbstgefällige Meister und Guru, sondern der liebende Vater, der mit Fürsorge jede Bewegung des Kindes verfolgt. Die heuristische Unterrichtsmethode für die Grundlagen des Christentums vermag dem Lehrer zu helfen, seiner Erzieherrolle gerecht zu werden und die Extreme zu meiden, in die häufig beim Religionsunterricht professionelle Lehrer in der Schule verfallen.